Stell dir vor, du sitzt im Café, vor dir auf dem Tisch ein grünes Wählscheibentelefon, und die Leute
gucken schon komisch. Doch plötztlich klingelt der Apparat, und du hebst den Hörer ab und nimmst den Anruf
entgegen! Oder du stellst das Auto ab, willst aber gerade noch einen Anruf machen. Du greifst nach einem
grünen Wählscheibentelefon, nimmst den Hörer ab, fängst an, die Wählscheibe zu drehen, und telefonierst
dann wie vor 20 Jahren - aber mobil!
Das kann man selber basteln! Man braucht dazu nur ein Handy in das Gehäuse des Wählscheibentelefons
(vorzugsweise Post FeTAp W611) ein- und eine Elektronik aufzubauen, die die Wählscheibe und den
Gabelkontakt auswertet, die Klingel ansteuert, Wähl- und Besetztton simuliert und das Handy über
die serielle Schnittstelle mit den entsprechenden Wähl- und Verbindungskommandos ansteuert.
Das ist ein bisschen Arbeit (für den reinen Aufbau schätzungsweise 5 Abende), aber der Gag ist
ziemlich gut.
Handy-Montage
Als Handy haben wir ein M35 von Siemens verwendet. Das S35 müsste auch gehen, das C35 ist wegen der außen
liegenden Antenne zu groß.
Das Handy liegt flach im hinteren Teil des Telefons, mit der Hörmuschel nach rechts.
Zunächst wird die Originalplatine aus dem Wählscheibentelefon entfernt. Die beiden Gewindebuchsen im
Telefonboden werden sauber abgeschnitten, so dass der Boden glatt ist. Die Überstände der Halterung der
Originalplatine ebenfalls abschneiden. Dann wird aus Feuchtraumkabel (Isolierung dranlassen) eine Klammer
gebogen, unter der das Handy eingeschoben werden kann. Diese Klammer mit Heißkleber am Telefonboden
festkleben.
In den Trennsteg zwischen der Aufnahme für den Zweithörer-Stecker wird ein Loch gebohrt (2,5 mm), in den
Plastikkragen hinter der Klingel ein hakenförmiger Einschnitt gedremelt. Über einen weiteren passend
gebogenen Draht (Isolierung nur an den Enden entfernen), der erst in die Bohrung, dann in den Einschnitt
eingehakt wird, wird der untere Teil des Handys festgeklemmt. (Siehe Fotos.)
Hörer
Der Lautsprecher im Hörer hat einen ohmschen Widerstand von rund 270 Ohm und einen ausgezeichneten
Wirkungsgrad, so dass er ohne weitere Anpassung am Ausgang des Handys eine ausreichende Lautstärke
erzeugt. Am telefonseitigen Ende des Hörerkabels wird eine 2-polige Buchsenleiste angelötet, über die
der Hörerlautsprecher dann mit der Telefon-Elektronik verbunden wird.
Das Original-Kohlekörnermikrofon habe ich durch eine Kondensator-Mikrofonkapsel ersetzt. Dadurch
wurde der Hörer unten zu leicht, um den Gabelkontakt niederzudrücken, so dass ich zusätzlich einen
Stein vom Parkplatz vor der Kirche in die untere Öffnung des Hörer geklebt habe. Außerdem muss der
verbleibende Hohlraum - die Kondensatorkapsel ist ja sehr klein - mit Schaumstoff, Küchenpapier oder
ähnlichem Dämmmaterial ausgestopft werden, damit es keinen unschönen blechernen Klang gibt. Wichtig bei
der Auswahl der Mikrofonkapsel ist, dass sie einen 2-Draht-Anschluss hat, d.h. die Betriebsspannung für
den integrierten Vorverstärker wird gemeinsam mit dem Tonsignal über eine Leitung übertragen. Das trifft
auf die meisten Kapseln zu und ist sinnvoll, weil auch das Handy die Versorgung über die Signalleitung
liefert und damit keine weitere Anpassung notwendig ist. Im Hörer wird das Mikrofon an die Litzen des
Original-Mikrofons angelötet und mit Heißkleber befestigt. Am anderen Ende des Hörerkabels wird eine
2-polige Stiftleiste angelötet, über die das Mikrofon dann mit dem Handy-Adapter verbunden wird.
Parallel zum Mikrofon wird an diese Stiftleiste noch ein 10k-Widerstand angelötet, der die vom Handy
ins Mikrofonkabel eingekoppelten Störungen dämpft.
Gabelschalter
Der Gabelschalter war mit das größte Problem. Schließlich sollte er sich möglichst so wie das Original
anfühlen und auch so verhalten (d.h., das Drücken auf eins der schwarzen Plastikteile trennt bereits
die Verbindung).
Da der Platz für den Original-Gabelschalter aber für das Handy gebraucht wird, kann dieser nicht
verwendet werden.
Ich habe aber die Kontaktfedern aus dem Originalschalter genommen und zunächst die beiden davon
miteinander verlötet, bei denen die Kontaktknubbel nicht direkt am Ende sitzen, sondern 1-2 mm vom Federende
entfernt. Dann wurden sie mit Heißkleber so von innen auf die Wölbung der Griffschale geklebt, dass die
seitlichen Nasen an den schwarzen Plastikteilen jeweils eine der Federn mitnehmen, wenn sie nach innen
gedrückt werden. Das ist ziemlich kritisch, denn sowohl der Winkel, in dem die beiden Federn verlötet
werden, als auch die Überlappung müssen genau stimmen, sonst treffen die Plastiknasen die Federn nicht,
rutschen wieder ab oder verklemmen sich mit den Federn, wenn diese zu dicht an den Plastikteilen angebracht
wurden. Man kann sie in dem Fall aber nachträglich noch etwas mit einem kleinen Seitenschneider stutzen.
Als Gegenstück dient auf jeder Seite eine Hälfte einer längs aufgeschnittenen Kontaktfeder, diesmal von
der Sorte, die den Kontaktknubbel direkt am Ende hat. An jede Hälfte wird zunächst ein Stück Litze (ca. 20
cm) angelötet. Dann wird die Federhälfte leicht gebogen und dann mit dem Kontaktknubbel so schräg vor die
anderen Federn geklebt, dass der Knubbel der Federhälfte mit einem der Knubbel der schon angeklebten ganzen
Feder Kontakt hat, wenn das schwarze Teil aus dem Telefongehäuse herausgedrückt wird, aber die ganze Feder
von der Federhälfte abgehoben wird, wenn man das schwarze Teil ins Gehäuse hineindrückt.
Das liest sich hier besonders kompliziert, daher bitte die Bilder beachten.
Am Ende hat man zwei Öffner-Kontakte (einen unter dem linken und einen unter dem rechten schwarzen
Plastikteil), die in Reihe geschaltet sind, d.h. bei abgenommenem Hörer ist der Stromkreis geschlossen und
der Controller-Eingang wird gegen Masse geschaltet, und sobald mindestens eins der schwarzen Teile gedrückt
wird, wird der Stromkreis geöffnet und der Controller-Eingang geht auf logisch 1.
Diese Kontaktfedern dienen für den mittleren Teil des Gabelschalters.
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Federn zusammenlöten und zunächst mit Alleskleber befestigten. Gut trocknen lassen! Darauf
achten, dass die schwarzen Nasen (links und rechts unter den Federn) die Federn genau treffen.
Wenn der Alleskleber trocken ist, mit reichlich Heißkleber sichern.
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Eine in der Mitte geteilte und zurechtgeschnittene Feder dient für die äußeren Kontakte.
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Zuerst Litzen an die Federhälften anlöten, dann so einkleben, dass die breiten Federn sie bei
ausgefahrenen schwarzen Plastikteilen genau treffen. Mit Durchgangsprüfer kontrollieren!
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Gabelschalter im aufgelegten Zustand (Federn auseinandergedrückt).
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Gabelschalter im abgenommenen Zustand (Federn kontaktieren).
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Klingel
Normalerweise arbeitet die Klingel mit satten 60 Volt Wechselspannung. Die sind vom Handy schlecht zu
holen. Andererseits ist das originalgetreue Klingelgeräusch ein sehr wesentlicher Effekt des
Wählscheibenhandys, der den Wert auf der Gagskala entschieden erhöht, so dass ein gewisser Aufwand
gerechtfertigt ist.
Zum Einsatz kommt eine einfache H-Brückenschaltung mit Bipolartransistoren, die aus den ca. 3,6 V
Handyspannung eine Rechteckspannung mit 7,2 V Spitze-Spitze macht. Die Brücke wird mit einer Frequenz von 25
Hz abwechselnd über zwei Ausgänge des Mikrocontrollers angesteuert. Diese Rechteckspannung wird dann über
einen umgekehrten Trafo 230V->12V hochtransformiert. Da der Trafo in der Gegenrichtung nicht optimal
arbeitet, 25 Hz nur die Hälfte seiner normalen Betriebsfrequenz sind und obendrein die 230V-Wicklung einen
recht hohen Innenwiderstand hat (der aber ziemlich genau dem Klingelwiderstand entspricht, so dass zumindest
Leistungsanpassung herrscht), kommt man damit auf eine Klingelspannung von etwa 12 V unter Last (mit
angeschlossener Klingel). Das reicht. Viele kleine Telefonanlagen sind ebenfalls weit von den 60 V des
Telefonnetzes entfernt.
Ein-/Ausschalten
Der Controller muss in der Lage sein, das Handy ein- und auszuschalten, weil es sich z.B. ausschaltet,
wenn der Akku leer wird, danach aber durch Knopfdruck oder Abnehmen des Hörers wieder eingeschaltet werden
können muss.
Dies ist die einzige Funktion, die nur durch Öffnen des Handys realisiert werden kann. Aber der Umbau
beschränkt sich auf das Anlöten eines einzigen Fädeldrahtes.
Zunächst das Handy öffnen (eine Anleitung gibt es hier). Dann ein etwa 15
cm langes Stück dünnen Kupferlackdraht - dieser Draht ist mit einer Lackschicht isoliert, auch wenn er nicht
so aussieht! - an den Ein-Aus-Auflegen-Knopf des Handys anlöten, und zwar, wie auf dem Foto zu sehen, an den
schlangenförmigen Kontakt, nicht an Masse! Sehr wenig Lötzinn verwenden und die Lötstelle möglichst weit
außen an der Kontaktfläche platzieren, damit der Stempel der Tastatur weiterhin innen kontaktieren kann und
damit der Original-Ein-Aus-Knopf weiterhin funktioniert! Den Draht dann seitlich im Gehäuse verlegen, neben
der Zubehörbuchse des Handys eine kleine Aussparung schneiden und den Draht durch diese nach außen führen
(beim M35 ist keine Aussparung nötig, weil das eine weiche Gummidichtung rund um die Buchse hat).
Ans Ende des Drahtes einen einzelnen Kontakt einer Buchsenleiste anlöten und mit Schrumpfschlauch
isolieren. (Alternativ irgendeine andere Steckverbindung.)
Wird dieser Draht nun über einen einfachen Schalttransistor mit Masse verbunden, schaltet das Handy ein
oder aus. Zum Einschalten aktiviert der Controller zunächst für 1 Sekunde den Schalttransistor, probiert
dann, ob das Handy auf Modemkommandos reagiert, und wiederholt den Vorgang, wenn nicht. Das Ausschalten
funktioniert genauso, außer, dass das Kriterium für erfolgreiches Ausschalten ist, dass das Handy nicht
mehr auf Kommandos reagiert.
Akkuladung
Für die Akkuladung müssen lediglich die drei Ladeanschlüsse der Zubehörbuchse (Pin 1 (GND), Pin 2 (SB),
Pin 3 (CHARGE)) zu einer von außen zugänglichen Steckverbindung geführt werden. Ideal wäre eine
Lumberg-Buchse, wie sie auch im Handy ist, weil man dann das Original-Ladegerät verwenden kann; da ich keine
solche hatte, habe ich eine einfache Stiftleiste (2x2-reihig) genommen und am Ladegerät zusätzlich zum
Originalstecker ein passendes Gegenstück angebracht. Als Verpolschutz habe ich außerdem einen der Pins von
der Stiftleiste entfernt und die entsprechende Öffnung der zugehörigen Buchsenleiste verschlossen (mit
Lötkolben erwärmen und zuschmieren).
Da die Stiftleiste im Telefongehäuse festgeklebt ist, wird sie nicht direkt mit dem Handy-Adapter
verlötet, sondern über eine weitere, genause beschaffene Steckverbindung. Dadurch lässt sich die fest mit
dem Handy-Adapter verbundene Steuerplatine später noch herausnehmen.
Elektronik
Die Steuerung des Telefons erfolgt über einen AT89C2051-Mikrocontroller mit 11,059 MHz. Er übernimmt die
folgenden Aufgaben:
- Signaltonerzeugung (Wähl-/Besetztton)
- Umschaltung zwischen Handy-Ton und Signaltönen
- Erzeugung der Klingel-Wechselspannung
- Überwachung des Gabelschalters
- Auswertung der Wählscheibenimpulse
- Überwachung eines Ausschaltknopfes
- Ein-/Ausschalten des Handys
- Ansteuerung des Handys über die serielle Schnittstelle
Der Controller kann zusammen mit der restlichen Elektronik auf einem Stück Lochrasterplatine aufgebaut
werden.
Gemessene Stromaufnahme der Schaltung (ohne Stromaufnahme des Handys):
- Beim Klingeln: 40 mA
- Aktiv (Gespräch, Hörer abgenommen): 4 mA
- Ruhezustand (Idle): 0,8 mA
- Ausgeschaltet (Sleep): 0,06 mA
#### Software ####
Elektronik-Montage
Die Montage der Platine ist bei meinem Prototyp nicht besonders gut gelöst, daher sollte man sich hier
etwas anderes einfallen lassen, evtl. mit einer anderen Form der Platine.
Ich habe an die Drahtklammer, die das Handy hält, eine weitere Klammer aus gebogenem Draht gelötet, die
die Platine auf der einen Seite hält. Auf der anderen Seite dient ein am Telefonboden verklebter Drahtbügel
mit einer Öse am anderen Ende als Halterung, wobei eine Schraube M3x10 durch Platine und Öse die Platine an
dem Drahtbügel befestigt. (Siehe Fotos.)
Handy-Anschluss
Um die Schaltung mit dem Handy zu verbinden, benötigt man einen zum Handy passenden Lumberg-Stecker. Man
kann z.B. ein Datenkabel oder sonst ein günstiges Zubehörteil kaufen und den Stecker ablöten. Wichtig:
Darauf achten, dass alle Pins im Stecker auch tatsächlich vorhanden sind und nicht wegen nur teilweiser
Belegung ganz weggelassen wurden.
Aus Platzgründen wird der Stecker ohne die Abdeckhauben montiert.
Der Stecker wird wie folgt verdrahtet: